Philharmonischer Chor Kiel e.V.

Kieler Nachrichten, 18.03.2024

Ausgezeichnet homogen

Der Philharmonische Chor Kiel erhielt die Zelter-Plakette und sang Mendelssohns Oratorium „Paulus“

VON CHRISTIAN STREHK

KIEL. Da hätte der ehrwürdige Carl Friedrich Zelter ja gleich mehrfach Anlass zur sonntäglichen Freude gehabt. Mit der Plakette in seinem Namen (als Begründer der großen bürgerlichen Chortradition) ist der Philharmonische Chor Kiel in der Wunderino Arena für eine über 100 Jahre unermüdliche und qualitätvolle Proben- und Aufführungstradition ausgezeichnet worden.

Kiels Oberbürgermeister Ulv Kämpfer nahm die feierliche und zugleich erfrischend wenig staats­tragende Ehrung im fünften Philharmonischen Konzert vor – in Vertretung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und flankiert vom Präsidenten des Verbands Deutscher Konzertchöre, Ekkehard Klemm.

Gute Gelegenheit auch für den Vereinsvorsit­zenden, Henrik Welp: Er möchte dem scheidenden Generalmusikdirektor Benjamin Reiners mit einer Ehrenmitgliedschaft für dessen bislang wohl beispielloses Fördern des Ensembles in vielen attraktiven Choraufgaben danken.

Solche Herausforderungen haben sich nun auch wieder angesichts der gelungenen Interpretation von einem Hauptwerk des Zelter-Schülers Felix Mendelssohn ausgezahlt. Der Philharmonische Chor sang, einstu­diert von Gerald Krammer, trotz eines zwei-zu-Eins-Ungleichgewichts zwischen Frauen- und Männerstimmen sehr homogen und balanciert. So leuchtete das Oratorium „Paulus“, das innovativ zwischen Barock­adaption à la Händel und Bach sowie frühromantischen Farbmixturen vermittelt, warmtönig. GMD Reiners konnte den Chorklang somit sehr überzeugend mit den weich modellierten Tönen der Philharmoniker abmischen. Na klar: In Sachen Textverständnis und Zug nach vorn geht immer noch mehr. Aber die kunstvollen Choralimplantate und die großen Chorfugen flossen organisch.

Dramatische Momente wie die Steinigung des Stephanus gelangen passend theatralisch aufgeregt. Und sie fanden stimmige Gegenbilder – wie im berührend innig zurückgenommenen Choral „Dir, Herr, will ich mich ergeben“. Auch das Erweckungserlebnis in der Damaskus-Szene, das den mitleidlosen Saulus zum einfühlsamen Paulus wandelt, und der immer wieder zentrale „Wachet auf“-Ruf erhielten aussagekräftige musikalische Kontur. Zumindest in der hier gewürdigten ersten Hälfte des opulenten Oratoriums. Da begeisterte ein junger Gaststar: Vera-Lotte Boecker, 2022 „Sängerin des Jahres“ in der „Opernwelt“ und 2023 ausgezeichnet mit dem renommierten „Faust“-Theaterpreis. Ihre Stimme kennt tatsächlich jenes betörende Aufflammen, das Mendelssohns Sopranpartien zwischen Klagelaut und Verkündi­gungseuphorie sinnlich austariert.

Während Maximilian Mayer seinem an sich schönen Tenor letztlich nicht genügend erzählerische Eindringlichkeit verlieh, brachte der Bass Magnus Piontek die nötige balsamische Würde für biblische Figuren mit. Und wenn dann in Baritonlage vereinzelte Töne mal zu flach gerieten, war das angesichts des imposanten Wort-Ton-Amalgams völlig nebensächlich.

Insgesamt bewies GMD Benjamin Reiners einmal mehr, wie selbstverständlich aus seiner künstlerischen Biografie heraus Chorsinfonisches unter seiner Leitung Kontur zeigt. Noch ein weiteres Mal wird er in dieser Saison auch auf den stark geforderten und stark abliefernden Philharmonischen Chor setzen: mit „Meeresstille“ und „Chorfantasie“ von Beethoven im sechsten Philharmonischen Konzert Mitte April.